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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Irmingard Schewe-Gerigk

Spätabtreibungen: Leid der Schwangeren nicht vergrößern

NR. 1169 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Datum: 19. September 2006

Spätabtreibungen: Leid der Schwangeren nicht vergrößern

 

Zu den heutigen Gesprächen der Koalition mit den beiden christlichen Kirchen über die gesetzlichen Regelungen der Spätabtreibung erklären Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin und frauenpolitische Sprecherin, und Biggi Bender, gesundheitspolitische Sprecherin:

 

Es ist schon erstaunlich, dass die große Koalition beim Thema Spätabtreibung das Gespräch mit den erklärten Gegnern eines Gesetzes sucht, das 1995 unter großen Mühen und nach langer und verantwortungsbewusster Diskussion eine Mehrheit im Deutschen Bundestag gefunden hat.

 

Auch wir sehen Veränderungsbedarf, wenn es um das Thema Pränataldiagnostik (PND) geht: Eine Änderung des §218 lehnen wir allerdings ab. Schon heute macht er deutlich, dass ein Abbruch allein aufgrund einer festgestellten Behinderung des Kindes nicht möglich ist. Wir wollen eine Beratungspflicht für Ärztinnen und Ärzte einführen, so dass sie die Schwangeren bereits vor dem Beginn einer Pränataldiagnostik über Ziele und Risiken aufklären und informieren müssen. Denn mit der Ausweitung des pränataldiagnostischen Angebots werden Frauen heute im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge mit einem breitem Spektrum von Untersuchungsmethoden konfrontiert, häufig ohne dass darüber informiert wird, was eventuelle Ergebnisse für Konsequenzen nach sich ziehen können. Zum Beispiel, dass in vielen Fällen zwar nach Auffälligkeiten gesucht, aber keine Therapie geboten werden kann. Oder darüber, dass das Risiko einer Fehlgeburt durch einige Untersuchungen deutlich höher ist als die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung des Kindes. Deshalb müssen Frauen auch über ihr "Recht auf Nichtwissen" aufgeklärt werden.

 

Ergibt sich im Rahmen der PND ein auffälliger Befund, brauchen die Schwangeren umfassende Beratungsangebote. Dies umfasst humangenetische Beratung ebenso wie sozial-psychologische Angebote. Auch hier besteht dringender Verbesserungsbedarf. Denn diese stehen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz zwar auch heute schon allen Schwangeren zu, sie werden aber durch die Ärztinnen und Ärzte zu selten darauf hingewiesen.

 

Eine generelle Beratungspflicht für die Frauen halten wir aber für das falsche Mittel. Auch sollten wir die Relationen nicht aus den Augen verlieren: Bei den Spätabbrüchen handelt es sich um ca. 180 Fälle pro Jahr. Nach nicht repräsentativen ExpertInnenbefragungen sind davon 80 Prozent Schwangerschaften mit außerhalb des Mutterleibes nicht lebensfähigen Kindern. Schwangere, die mit einem auffälligen Befund nach einer Pränataldiagnostik (PND) konfrontiert sind, brauchen in ihrer schwierigen Situation jede Unterstützung und Beratung, keinen Zwang.



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